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Heinrich Heine
Französische Zustände






Tagesberichte

Vorbemerkung


Über die mißlungene Insurrektion vom 5. und 6. Junius, über diese so bedeutende und folgereiche Erscheinung wird man nie viel Wahres und Richtiges erfahren, sintemalen beide Parteien gleich interessiert waren, die bekannten Tatsachen zu entstellen und die unbekannten zu verhüllen. Die folgenden Tagesberichte, geschrieben angesichts der Begebenheiten, im Geräusch des Parteikampfs, und zwar immer kurz vor Abgang der Post, so schleunig als möglich, damit die Korrespondenten des siegenden Justemilieu nicht den Vorsprung gewönnen — diese flüchtigen Blätter teile ich hier mit, unverändert, insoweit sie auf die Insurrektion vom 5. Junius Bezug haben. Der Geschichtschreiber mag sie vielleicht einst um so gewissenhafter benutzen können, da er wenigstens sicher ist, daß sie nicht nach späteren Interessen verfertigt worden.

Wenn es auch für manche irrige Suppositionen, wie man sie in diesen Blättern findet, keines besonderen Widerrufs bedarf, so kann ich doch nicht umhin, eine einzige derselben zu berichtigen. Der General Lafayette hat nämlich seitdem öffentlich erklärt, daß er es nicht war, welcher am 5. Junius die rote Fahne und die Jakobinermütze bekränzt hat. Unser alter General hat sich, wie ich erst später erfahren, an jenem Tage ganz seiner würdig gezeigt. Eine leicht begreifliche Diskretion erlaubt mir nicht, in diesem Augenblick einige hierauf bezügliche Umstände zu berichten, die selbst den eingefleischtesten Jakobiner mit Rührung und Ehrfurcht vor Lafayette erfüllen müßten.

Man wird in diesen Blättern, wie im ganzen Buche, vielen widersprechenden Äußerungen begegnen, aber sie betreffen nie die Dinge, sondern immer die Personen. Über erstere muß unser Urteil feststehen, über letztere darf es täglich wechseln. so habe ich über das schlechte System, worin Ludwig Philipp wie in einem Sumpfe steckt, immer dieselbe Meinung ausgesprochen, aber über seine Person urteilte ich nicht immer in derselben Tonart. Im Beginn war ich gegen ihn gestimmt, weil ich ihn für einen Aristokraten hielt; später, als ich mich von seiner echten Bürgerlichkeit überzeugte, sprach ich schon von ihm viel besser; als er uns durch den État de siège erschreckte ward ich wieder sehr aufgebracht gegen ihn; dies legte sich wieder nach den ersten Tagen, als wir sahen, daß der arme Ludwig Philipp nur in der Betäubung der eignen Angst jenen Mißgriff begangen; aber seitdem haben mir die Karlisten durch ihre Schmähungen eine wahre Vorliebe für die Person dieses Königs eingeflößt, und ich könnte diese noch in meinem Herzen steigern, wenn ich ihn mit — — — — — — — — vergleichen wollte.






© Wolfgang Fricke