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Heinrich Heine: Almansor
Eine Tragödie



Alis Schloß. Erleuchtetes Kabinett, mit einer großen Mitteltüre. Man hört Tanzmusik. Don Enrique liegt zu Zuleimas Füßen.

Don Enrique pathetisch:

Ein Zauberduft betäubet meine Sinne,
Und schauernd weiß ich nicht, was ich beginne!
Anbetend sink ich hin zu deinen Füßen,
Um dich als heil'ge Jungfrau zu begrüßen!
Du bist des Himmels Strahlenkuniginne,
Der ich nicht nahen darf mit ird'scher Minne!
Und wenn auch Hymens Bande uns umschließen -
Ich lieg als Knecht dir immerdar zu Füßen!

Die Musik hat aufgehört. Don Diego ist während dieser Apostrophe hereingeschlichen, und hat beide Flügel der Mitteltüre geöffnet. Man sieht einen prächtigen, menschenvollen Ballsaal. Die tanzenden Paare bleiben stehen, und schaun freudig nach Don Enrique und Zuleima.

Einige Stimmen rufen:

Heil! Heil! Heil! unserm schönen Brautpaar!

Trompetentusch. Don Enrique steht auf. Don Diego schleicht sich wieder fort. Die Mitteltüre bleibt offenstehen.

Zuleima ernst:

Führt mich zum Saal.

Don Enrique reicht ihr den Arm; verwirrt:

Señora, mein Bedienter,
Der Schalk hat dies getan.

Zuleima:

Gut Señor, gut.

Ali und ein Ritter treten in der Türe den Vorigen entgegen.

Ali er faßt Don Enrique beim Arm:

Nein, liebe Clara, laß mir deinen Bräut'gam;
Hier Don Rodrigo führet dich zum Saal.

Zuleima, vom Ritter geführt, geht ab. Die Mitteltüre schließt sich.

Don Enrique:

Ich wundre mich -

Ali ernst:

Erinnert Ihr Euch nicht,
Daß ich noch ein Geheimnis für Euch habe,
Das ich versprach noch vor dem Hochzeitstag
Euch mitzuteilen, Señor?

Don Enrique neugierig und schmeichelnd:

Ach, Ihr habt
So vieles schon für mich getan -

Ali:

Ich nichts,
Nur, nur von Donna Clara hing es ab,
Ob sie die Hand Euch reichen wollt.

Don Enrique:

Nein, Señor,
Nur Eure Stimme, die des Vaters, galt.

Ali:

Wohl hatt ich Gründe, Claras Hand Euch nicht
Zu geben. Doch ich hatte nicht das Recht.
Denn wisset: Claras Vater bin ich nicht.

Don Enrique kleinlaut:

Ihr Vater nicht?

Ali lächelnd:

Seid ohne Sorge, Señor.
Urkundlich und durch Testamentes Kraft
Hab ich sie anerkannt als eigne Tochter.
Jetzt, Señor, seht Ihr wohl, warum nur Clara
Verfügen konnte über ihre Hand.
Doch merkt's Euch, niemand hier, sie selber nicht,
Kennt dies Geheimnis.

Don Enrique:

Señor, staunen muß ich -

Ali:

Mitteilen aber muß ich's Euch, dem Bräut'gam.
Doch erst gelobt mir, daß Ihr es verschweigt,
Sogar vor Eurer Braut, damit ich ihr
Den großen Schmerz erspare, und die Ruh
Aus ihrem süßen Herzchen nicht verscheuche.

Don Enrique gibt ihm den Handschlag:

Mit meinem Ritterwort gelob ich Schweigen.

Ali:

Ihr wißt, ich hieß nicht immer Don Gonzalvo.

Don Enrique:

Nicht minder schön und herrlich war der Name,
Den jedermann Euch gab, dem guten Ali.

Ali:

Ja, ja! den guten Ali nannt man mich!
Doch hätt man mich mit besserm Recht genannt:
Den Glücklichen. Denn Ali war einst glücklich,
Durch Freundschaft und durch Liebe. - Einen Freund,
Den seltensten der Schätze, gab mir Gott.
Und auch ein Weib, ein Weib, so schön, so mild -
Nein, Sünde ist es, sie ein Weib zu nennen -
Ein Engel lag an meinem sel'gen Herzen;
Und auch noch Vaterfreuden sollt ich fühlen.
Mein holdes Weib gebar mir einen Knaben;
Sie selber aber wurde bleich und bleicher -
Und starb. - Da goß der Freund mir Trost ins Herz,
Und da sein Weib, just zu derselben Zeit,
Ein Töchterchen gebar, hat diese Gute
Zu sich genommen mein verwaistes Kind,
Und großgesäugt und mütterlich gepflegt.
Doch als ich wieder zu mir nahm ins Schloß
Den Schmerzensohn, ergriff, bei seinem Anblick,
Mich jedesmal aufs neu der alte Schmerz,
Ob seiner toten Mutter. Dieses merkte
Mein kluger Freund, und einst sprach er zu mir:
»Was dünkt dir, Ali, wenn wir unsre Kinder
Schon jetzt als Braut und Bräutigam verlobten,
Um unsre Freundschaft fester noch zu gründen?«
Laut weinend fiel ich in des Freundes Arm,
Und in derselben Stunde ward beschlossen:
Daß ich des Freundes Tochter zu mir nehmen,
Und unter Ammenleitung, hier im Schlosse,
Selbst auferziehen sollt, damit ich selbst
Dem eignen Sohn ein wackres Weib erziehe,
Und daß mein Sohn erzogen werden sollte
Von meinem Freund, damit er selber bilde
Den künft'gen Ehmann seiner einz'gen Tochter.
Und dies geschah.

Don Enrique:

Ich brenne vor Begier -

Ali:

Die Kinder wuchsen auf, und sahn sich oft,
Und liebten sich - bis das Gewitter kam.
Ihr wißt wohl, wie sein Blitzstrahl eingeschlagen
In des Alhambras höchsten Turm, wie viele
Der edelsten Geschlechter von Granada
Zur Religion des Kreuzes sich gewandt.
Ihr wißt, daß es der frommen Christenamme
Schon längst gelang, Zuleimas sanftes Herz
Für Christum zu gewinnen, daß die Holde
Den Heiland auch bald öffentlich bekannte,
Und durch der Taufe heil'ges Sakrament
Den schönen Namen Clara sich gewann.
Ich ging denselben Weg, dem eignen Herzen
Und der geliebten Pflegetochter folgend.
Ich hegte keinen Zweifel, daß mein Freund,
Der Gleichgesinnte, gleichem Beispiel huld'ge.
Doch wehe mir, er war ein blinder Moslem,
Und nahm die Botschaft auf mit kaltem Zorne,
Und ließ mir melden: Seines Gottes Feind,
Den hasse er, als seinen eignen Feind,
Er wolle nie der Gottesleugnerin,
Der eignen Tochter Antlitz wiedersehn,
Er wolle fliehen aus dem Land der Schlangen,
Und meinen Sohn, das eigne Pflegekind,
Den wolle er dem Zorne Allahs opfern,
Und mit des Sohnes Blut den Vater sühnen.
Und Wort gehalten hat der Wüterich!
Vergebens eilte ich nach seinem Schlosse;
Er war entflohn, entflohn mit seiner Beute.
Ich sah den armen Knaben nimmer wieder;
Und Krämer einst, die von Marokko kamen,
Erzählten mir vom Tode meines Sohns.

Don Enrique mit affektiertem Schmerze:

O schrecklich! schrecklich! Rührung übermannt mich!
Mein Herz verblutet! Und Ihr habt Euch nicht
Furchtbar gerächt an diesem Wüterich?
Ihr hattet ja des Buben eigne Tochter
In der Gewalt? Wie habt Ihr da gehandelt?

Ali stolz:

Ich hab gehandelt, Señor, wie ein Christ. Geht ab.

Don Enrique allein:

Soll ich es Don Diego sagen? Ja, ja.
Er soll mal sehn, daß er nicht alles weiß.
Er sieht mich an für dumm. Nur immer zu.
Wir wollen sehen, wer der Klügste ist.

Die Tanzmusik beginnt wieder.

Doch still davon. Da rufen schönre Töne,
Und meine schöne Donna darf nicht warten. Er geht ab.

Nacht. Alis Schloß von außen. Die Fenster sind erleuchtet. Fröhliche Tanzmusik im Schlosse. Almansor steht sinnend davor. Die Musik schweigt.

Almansor:

Fürwahr, recht hübsch ist die Musik. Nur schade,
Hör ich der Zimbeln hüpfend helles Klingen,
Fühl ich im Herzen tausend Natterstiche;
Hör ich der Geigen langsam weiche Töne,
Zieht mir ein Messer schneidend durch die Brust;
Hör ich dazwischen die Trompeten schmettern,
Zuckt's mir durch Mark und Bein, wie 'n rascher Blitz;
Und hör ich dröhnend dumpf die Pauken donnern,
So fallen Keulenschläge auf mein Haupt.
Ich und dies Haus, wie passen wir zusammen?

Wechselnd nach dem Schlosse und nach seiner Brust zeigend.

Dort wohnt die Lust mit ihren Harfentönen;
Hier wohnt der Schmerz mit seinen gift'gen Schlangen.
Dort wohnt das Licht mit seinen goldnen Lampen;
Hier wohnt die Nacht mit ihrem dunkeln Brüten.
Dort wohnt die schöne, liebliche Zuleima; -

Sinnet, zeigt endlich auf seine Brust.

Wir passen doch - hier wohnt Zuleima auch.
Zuleimas Seel wohnt hier im engen Hause,
Hier in den purpurroten Kammern sitzt sie,
Und spielt mit meinem Herzen Ball, und klimpert
Auf meiner Wehmut zarten Harfensaiten,
Und ihre Dienerschaft sind meine Seufzer -
Und wachsam steht auch meine düstre Laune,
Als schwarzer Frauenhüter, vor der Pforte.

Zeigt nach dem Schlosse.

Doch was dort oben, in dem hellen Saal,
Prachtvoll geschmückt und prangend stolz einhergeht,
Und mit dem Lockenhaupte freundlich zunickt
Dem seidnen Buben, der sich zierlich krümmt -
Das dort ist nur Zuleimas kalter Schatten,
Nur eine Drahtfigur, der man ein Glasaug
Im Wachsgesichte künstlich eingefügt,
Und die, durch aufgedrehter Federn Kraft,
Den leeren Busen wechselnd hebt und senkt.

Trompetentusch.

O weh! da kommt der seidne Bube wieder
Und fodert auf zum Tanz die Drahtfigur.
Das holde Glasaug sendet süße Blitze!
Das liebe Wachsgesicht bewegt sich lächelnd!
Der schöne Federbusen schwillt und schwillt!
Mit rauher Hand berühret dort der Bube
Das leichtgebrechlich zarte Kunstgewebe -

Rauschende Musik.

Umschlingt's mit frechem Arm, und zieht es fort
In wilder Tänzer flutendes Gedränge!
Halt ein! halt ein! Ihr Geister meiner Leiden,
Reißt fort den Buben von dem Leib der Holden!
Schlagt ein! schlagt ein! Ihr Blitze meines Zorns!
Und lähmt die Hand, die meinen Himmel faßt!
Brecht ein! brecht ein! Ihr Mauern dieses Schlosses,
Und stürzt zermalmend auf des Frevlers Haupt!

Pause; leisere Musik.

Sie bleiben ruhig stehn, die alten Mauern,
Und meine Wut zerschellt an ihren Quadern.
Ihr seid gar stark gebaut, ihr festen Mauern,
Und doch habt ihr ein schwach und schlecht Gedächtnis!
Ich heiß Almansor, und war sonst der Liebling
Des guten Ali, und auf Alis Knieen
Wohnt ich, und »lieber Sohn« nannt Ali mich,
Und strich mir dann mit sanfter Hand den Kopf; -
Und jetzt steh ich, wie 'n Bettler, vor der Türe!

Die Musik schweigt. Man hört im Schlosse verworrene Stimmen und lautes Gelächter.

Da spottet's mein; hollah! ich lache mit!

Schlägt an die Pforte.

Macht auf! macht auf! ein Gast will übernachten!

Die Schloßtüre öffnet sich. Pedrillo erscheint mit einem Armleuchter; er bleibt in der Türe stehen.

Pedrillo:

Beim heiligen Pilatus! Ihr klopft stark;
Auch kommt Ihr spät zum Ball, er ist schon aus.

Almansor:

Ich suche keinen Ball, ich such ein Obdach;
Bin fremd und müd, und dunkel ist die Nacht.

Pedrillo:

Beim Barte des Propheten - ich wollt sagen
Der heiligen Eli - Elisabeth -
Das Schloß ist keine Herberg mehr. Unweit
Von hier steht so ein Ding, das nennt man Wirtshaus.

Almansor:

So wohnt allhier nicht mehr der gute Ali,
Wenn Gastlichkeit aus diesem Schloß verbannt ist.

Pedrillo:

Beim heil'gen Jago von - von Compostella!
Nehmt Euch in acht, denn Don Gonzalvo zürnt,
Wenn man ihn noch den guten Ali nennt.
Zuleima nur, Schlägt sich vor die Stirne. wollt sagen Donna Clara,
Darf noch den Namen Ali nennen. Ali,
Der irrt sich auch, und nennt sie oft Zuleima.
Auch ich, ich heiße jetzt nicht mehr Hamahmah,
Pedrillo heiß ich, wie in seiner Jugend
Der heil'ge Petrus hieß; und auch Habahbah,
Die alte Köchin, heißt jetzt Petronella,
Wie einst die Frau des heil'gen Petrus hieß;
Und was die alte Gastlichkeit betrifft,
So ist das eine jener Heidensitten,
Wovon dies christlich-fromme Haus gesäubert.
Gut Nacht! Ich muß jetzt leuchten unsern Gästen,
Es ist schon spät, und manche wohnen weit.

Er geht ins Schloß zurück und schlägt die Pforte zu. Im Schlosse wird es bewegter.

Almansor allein:

Kehr um, o Pilger, denn hier wohnt nicht mehr
Der gute Ali und die Gastlichkeit;
Kehr um, o Moslem, denn der alte Glaube
Ist ausgezogen längst aus diesem Hause;
Kehr um, Almansor, denn die alte Liebe
Hat man mit Hohn zur Tür hinausgestoßen,
Und laut verlacht ihr leises Todeswimmern.
Verändert sind die Namen und die Menschen;
Was ehmals Liebe hieß, heißt jetzo Haß. -
Doch hör ich schon die lieben Gäste kommen,
Und gar bescheiden geh ich aus dem Weg. Geht ab.

Das Schloßtor öffnet sich ganz; buntes Gewühl und verworrene Stimmen. Bediente mit Lichtern treten hervor.

Alis Stimme:

Nein, Señor, nein, das leid ich nimmermehr.

Eine andre Stimme:

Die Nacht ist ja recht schön und sternenhell.
Unweit von hier stehn unsre Pferd und Maultier,
Und weiche Sänften für die weichen Damen.

Eine dritte Stimme beschwichtigend:

Nur eine kleine Strecke ist's, Señora,
Und nicht zu groß für Euren kleinen Fuß.

Damen, Ritter, Fackelträger, Musikanten usw. kommen aus dem Schlosse. Jede Dame wird von einem Ritter geführt.

Erster Ritter:

Verstandet Ihr den leisen Wink, Señora?

Seine Dame lächelnd:

Ihr seid heut boshaft, boshaft, Don Antonio.

Gehn vorüber.

Eine andre Dame heftig:

Doch überladen war die Stickerei,
Und noch ein bißchen maurisch war der Schnitt.

Ihr Ritter mit verstelltem Ernste:

Jedoch was soll das arme Mädchen machen
Mit all den alten, reichen Maurenkleidern?

Die Dame:

Gibt's keine Maskenbälle, süßer Spötter?

Gehn vorüber.

Zwei Ritter gehn im Arm gefaßt.

Der erste:

Dem alten Herrn sah man den Ärger an,
Als ihm der Diener, mit gekreuzten Armen,
Des Bratens Unfall in der Angst berichtet.

Der zweite spöttisch:

Das war noch nichts. Er biß sich blau die Lippen,
Als Carlos laut den wilden Schweinskopf lobte,
Und scherzhaft drollig den Propheten schalt,
Der seinem Volk ein solch Gericht versagt hat.

Der erste gutmütig:

Aus lieber Dummheit tat's der alte Schlemmer,
Dem Wein und Bratenduft den Sinn umnebelt.

Der zweite mit schlauem Seitenblick:

Die Dummheit geht oft Hand in Hand mit Bosheit.

Gehn vorüber.

Zwei andre Ritter kommen sprechend.

Der eine Ritter sieht sich sorgsam um:

Wir waren wohl die einz'gen Maurenchristen,
Die Ali eingeladen, und als Carlos -

Der andre Ritter:

Versteh, Schmerz zuckte über Alis Antlitz,
Er sah uns forschend an - wem traut man jetzt?

Gehn langsam vorüber.

Musikanten, ihre Instrumente stimmend, gehen vorüber.

Ein junger Fiedler:

Gesprungen ist mir wieder eine Saite.

Der alte:

Ja, ja, im Kopfe springt dir sicher keine;
Die Saiten des Gehirns strengst du nicht an,
Und plagst mich immer mit den dümmsten Fragen.

Der junge Fiedler schmeichelnd:

Nur eins noch sag mir, dein Verstand ist ja
So fein, wie eines Fiedelbogens Härchen;
Und du bist ja der Klügste von uns allen,
Du stehst ja zwischen uns, so wie dein Brummbaß
Großmächtig stehet zwischen unsern Geigen -
Doch du bist auch so brummig wie dein Brummbaß -
O sag mir doch: warum denn Don Gonzalvo,
So hastig und so ängstlich auf uns einsprang,
Als wir den hübschen Maurentanz, den Zambrah,
Aufspielen wollten, und warum statt dessen
Hieß er den spanischen Fandango spielen?

Der alte mit selbstgefällig pfiffiger Miene:

He! he! das weiß ich wohl, doch sag ich's nicht;
Denn so was spielt schon in die Politik.

Sie gehn vorüber.

Man hört im Schlosse Don Enriques Stimme.

Don Enrique:

Ich hab genug an einem Fackelträger.
Mein Esel, der Diego, leuchtet mir;
Zärtlich: Und vor mir schweben immer, freundlich leitend,
Zwei Liebessternlein, Donna Claras Augen!

Verworrene Stimmen. Die Türe wird geschlossen. Don Enrique und Don Diego treten auf; letzterer in Bedientenkleidung und eine Fackel tragend.

Don Diego stolz:

Wir tauschen jetzt die Rollen, gnäd'ger Herr,
Und Ihr seid jetzt der Diener und - der Esel.

Don Enrique nimmt die Fackel:

Ich tat nach Kräften, Señor, seid nicht launisch.

Don Diego mit Grandezza:

Auf Ehre, Señor, ganz ein andrer schient Ihr,
Als ich zuerst Bekanntschaft mit Euch machte,
Im Zuchthaus zu Puente del Sahurro.

Don Enrique beschwichtigend:

Grollt nicht, ich bin Eur treuer Zögling, Señor.

Don Diego:

Mein Zögling muß, mit beßren Schmeichelein,
Sich reicher Damen Gunst erwerben können.
Was soll denn der Vergleich mit schmächt'gen Sternlein?
Mit Sonnen muß man so ein Lieb vergleichen!
Lernt nur auswendig besser unsre Dichter,
Und schmiert mit Öl geschmeidig Eure Zung,
Die Euch wie eingerostet lag im Munde,
Als Ihr so stumm an Claras Seite saßet.

Don Enrique schmachtend:

Ich sah entzückt auf ihr schneeweißes Händchen!

Don Diego auflachend:

Hätt Euch das Blitzen ihrer Demantringe
Das Aug geblendet, und die Zung gelähmt,
So ließ' ich gelten solch ein süß Verstummen.

Ironisch langsam:

Entzücken soll Euch freilich Claras Hand,
Wenn sie der alte Herr gefüllt mit - Gold.
Dann will ich mit Euch teilen Eur Entzücken,
Das klingend helle, goldene Entzücken!
Doch überlaß ich Euch allein die Freude
Am süßen Spiele ihrer weißen Finger,
An ihrer Muskeln sanftgeschwellter Weichheit,
Und an der Adern bläulichem Gewebe!

Don Enrique aufgeblasen:

Kein Spott! Ich freie zwar des Vaters Schätze,
Jedoch gesteh ich: Claras Schönheit rührt mich.

Don Diego:

Mistpfütze, hüte dich daß man dich rühre!
Kein Ambraduft steigt auf durch solche Rührung.
Lieb nicht nach innen, liebe nur nach außen.
Gefühle sind gar schlechte Liebeswerber;
Wort, Miene und Bewegung sind weit beßre.
Und dringen diese Werber noch nicht durch,
So helfen schön gefärbte Jünglingswangen,
Elastisch üpp'ge Waden aus Madrid,
Schnürleiber, hohe Polsterbrust und Kunstbauch,
Die Waffen aus dem Schneiderarsenal.
Und sind auch die zu stumpf, so helfen sicher
Die Mauerbrecher - Sieht ihn kaltlächelnd an. Señor, kennt Ihr noch
Die Dokumente, die ich ausgefertigt,
Mit alter Schrift und mit erloschner Dinte,
Die vorsätzlich im Schloß verlornen Briefe,
Die Don Gonzalvo fand, und draus ersah -
Lachend: Ja, Señor, mir, mir habt Ihr es zu danken
Daß Ihr ein Prinz geworden. - Seid jetzt folgsam;
Sprecht nur wie ich's Euch habe einstudiert;
Sprecht viel von Religion und von Moral;
Zeigt jene Wunden oft, die Euch im Zuchthaus
Der Büttel schlug, und nennt sie heil'ge Narben,
Die Ihr im Feldzug für die gute Sache
Erbeutet habt; sprecht viel von der Courage;
Vor allem aber kräuselt oft den Schnauzbart.

Don Enrique:

Ich beuge mich vor Eurer Klugheit, Señor.
Nur kann ich noch Eur Kunststück nicht begreifen,
Wie Ihr den Pfaffen ins Intresse zoget?

Don Diego:

Die Pfaffen sind ja auch vom Handwerk, Señor,
Und heil'ge Männer haben heil'ge Zwecke,
Und brauchen Gold für ihre Kirchenkelche,
Und brauchen Wein, um sie damit zu füllen.
Ihr merktet nicht daß ich die Volte schlug?
Ich gab Euch gute Karten, und da trumpft
Nun Euer Herz die Dame, und den König,
Den Alten, trumpft Ihr lustig mit dem Kreuz;
Und morgen ist das Spiel gewonnen, morgen,
Dann gratulier ich Euch zu Eurer Hochzeit.

Don Enrique andächtig gen Himmel schauend:

Ich danke dir, du Vater in der Höh!

Don Diego:

Ja, freilich in der Höh, denn luftig schwebt er
Am hohen Galgen, zu San Salvador.

Sie gehn ab.

Almansor tritt auf.

Almansor:

Die buntgeputzten Fledermäus und Eulen
Sind nun vorbeigeflirrt. Recht widerlich
Drang mir ins Ohr ihr heiser-harsches Schrillen,
Und atmen konnt ich kaum in ihrer Näh.
Zuleima, dich umschwärmt solch Nachtgevögel?
Dich, weiße Taub, umkreisen solche Raben?
Dich, schöne Ros, umkriechet solch Gewürm?
Hält denn ein Zauber dich umstrickt, Zuleima?
Ist denn das Bild des flehenden Almansors
In deiner Seele ganz und gar erloschen?
Kommt nie Erinnrung an Almansors Liebe
Aus deinem Busen seufzend aufgestiegen?
Dort oben wallen tausend Liebesboten,
Und jedem gab ich tausend Liebesgrüße,
Und schmerzlich süß entfloß mein glühend Blut,
Bei jedem Gruß, aus tausend Liebeswunden;
Und dennoch brachte keiner dieser Boten
Der Heißgeliebten meine heißen Grüße!
Schämt euch, untreue Boten, Sterne oben,
Die ihr so klug und pfiffig niederblinzelt,
Und euch als Menschenschicksallenker brüstet!
Ihr konntet nicht bestellen meine Grüße -
Und blöde Tauben tragen, treu und sicher,
Den Liebesbrief des Hirten in der Wüste! -
Das Schloßgesinde ist zu Bett gegangen,
Bedächtig sind die Lichter ausgelöscht,
Und nur ein einz'ges noch strahlt dort durchs Fenster.
Ich kenn dies Fenster noch; dort schläft Zuleima.
Dort stand ich manche schöne Sommernacht,
Und ließ die Laute klingen, bis die Liebste,
Mit süßem Wort, auf dem Balkon erschien.

Er zieht eine Laute hervor.

Hier ist die alte Laute. Klingend schwebt mir
Im Kopf das alte Lied; und sehen möcht ich,
Ob auch der alte Zauberklang noch wirkt.

Er spielt und singt:

Güldne Sternlein schauen nieder,
Mit der Liebe Sehnsuchtwehe;
Bunte Blümlein nicken wieder,
Schauen schmachtend in die Höhe.

Zärtlich blickt der Mond herunter,
Spiegelt sich in Bächleins Fluten,
Und vor Liebe taucht er unter,
Kühlt im Wasser seine Gluten.

Wollustatmend, in der Schwüle,
Schnäbeln weiße Turteltäubchen;
Flimmernd, wie zum Liebesspiele,
Fliegt der Glühwurm nach dem Weibchen.

Lüftlein schauern wundersüße,
Ziehen feiernd durch die Bäume,
Werfen Kuß und Liebesgrüße
Nach den Schatten weicher Träume.

Blümlein hüpfet, Bächlein springet,
Sternlein kommt herabgeschossen,
Alles wacht und lacht und singet -
Liebe hat ihr Reich erschlossen.


Zuleimas Stimme im Schloß.

Ist es ein Traum, der freundlich mich umgaukelt,
Und liebe Töne in mein Ohr zurückruft?
Ist es ein Unhold, der mich zu verlocken,
Des Freundes süße Stimme künstlich nachäfft?
Ist's gar der tote, irrende Almansor,
Der in der Nacht gespenstisch mich umschleicht?

Almansor:

Es ist kein Traum, der täuschend dich umgaukelt,
Es ist kein Unhold, der dich will verlocken,
Auch ist's kein toter, irrender Almansor -
Es ist Almansor selbst, der Sohn Abdullahs.
Er ist zurückgekehrt, und trägt noch immer
Lebend'ge Liebe im lebend'gen Herzen.

Zuleima tritt, mit einem Lichte, auf den Balkon.

Zuleima:

Sei mir gegrüßt, Almansor ben Abdullah,
Sei mir gegrüßt im Reiche der Lebend'gen!
Denn längst kam uns die trübe Mär: tot sei
Almansor - und Zuleimas Augen wurden
Zwei unversiegbar stille Tränenquellen.

Almansor:

O süße Lichter, holde Veilchenaugen,
So seid ihr mir noch immer treu geblieben,
Als meiner schon vergaß Zuleimas Seele!

Zuleima:

Die Augen sind der Seele klare Fenster,
Und Tränen sind der Seele weißes Blut.

Almansor:

Und floß auch Blut schon aus Almansors Seele,
Am Grab der Mutter und am Grab des Vaters,
So muß sie jetzt doch ganz und gar verbluten,
Hier an dem Grabe von Zuleimas Liebe.

Zuleima:

O schlimme Worte und noch schlimmre Kunden!
Ihr bohrt euch schneidend ein in meine Brust,
Und auch Zuleimas Seele muß verbluten. Sie weint.

Almansor:

O weine nicht! Wie glühnde Naphtatropfen,
So fallen deine Tränen auf mein Herz.
Mein Wort soll dich jetzt nimmermehr verletzen!
Verehren will ich dich wie 'n Heiligtum,
In dessen Näh sogar des Blutes Rächer
Die scharfe Spitze abbricht von der Lanze;
In dessen Näh die Taube und Gazelle
Gesichert sind vor schlimmen Jägerspfeilen;
In dessen Näh selbst gier'ge Räubershände
Sich demutsvoll nur zum Gebet bewegen.
Zuleima, du bist meine heil'ge Kaaba,
Dich glaubte ich zu küssen, als zu Mekka
Mein glühnder Mund berührt den heil'gen Stein; -
Du bist so süß, doch auch so kalt wie er!

Zuleima:

Bin ich dein Heiligtum, so brich sie ab,
Die scharfe Lanzenspitze deiner Worte;
So laß im Köcher ruhn die argen Pfeile,
Die luftbefiedert in mein Herze treffen;
Und falte nicht wie zum Gebet die Hände,
Um desto sichrer meine Ruh zu rauben.
Genug schon schmerzt mich deine böse Kunde
Vom Tod Abdullahs und Fatimas; beide
Hab ich wie eigne Eltern stets geliebt,
Und beide nannten mich auch gerne »Tochter«!
O sprich, wie starb Fatima, unsre Mutter?

Almansor:

Auf ihrem Ruhebette lag die Mutter,
Zur Linken kniete ich, und weinte still,
Zur Rechten stand Abdullah, starr und stumm,
Und mit der Friedenspalme schwebte sichtbar
Der Todesengel über Mutters Haupt.
Ich wollte sie entreißen diesem Engel,
Und ängstlich hielt ich fest der Mutter Hand.
Doch, wie die Sanduhr leis und leiser rinnet,
So rann das Leben aus der Hand der Mutter;
Auf ihrem bleichen Antlitz zuckten wechselnd
Ein Lächeln und ein Schmerz, und wie ich leise
Mich hinbog über sie, da seufzte sie
Aus tiefer Brust: »Bring diesen Kuß Zuleimen.«
Bei diesem Namen stöhnte auf Abdullah,
Wie ein zu Tod getroffnes, wildes Tier.
Die Mutter sprach nicht mehr, die kalte Hand nur
Lag in der meinigen, wie ein Versprechen.

Zuleima:

O Mutter, o Fatima, du hast noch
Bis in den Tod geliebt dein armes Kind!
Abdullah aber bat mich noch gehaßt,
Als er hinabstieg in sein dunkles Haus.

Almansor:

Nicht mit ins Grab nahm er den Haß. Obzwar,
Wenn nur durch Zufall ihm ins Ohr geklungen
Die Namen Ali und Zuleima, so
Erwacht' in seiner Brust der Sturm, wie Wolken
Umzog es seine Stirn, sein Auge blitzte,
Und seinem Mund entquoll Verwünschungsfluch.
Doch einst nach solchem Sturme fiel der Vater,
Ermattet und betäubt in tiefen Schlaf.
Ich stand bei ihm, auf sein Erwachen harrend.
Wie staunte ich! Als er die Wimper aufschlug,
Da lag in seinem Blick, statt Zornesglühen,
Nur klare Freundlichkeit und fromme Milde;
Statt seiner Wahnsinnschmerzen wildes Zuckens,
Umschwebte heitres Lächeln seine Lippen;
Und statt den grausen Fluch hervorzufluchen,
Sprach er zu mir mit leiser, weicher Stimme:
»Die Mutter will's nun mal, ich kann's nicht ändern,
Drum geh nur hin, mein Sohn, durchschiff das Meer,
Geh nach Hispanien zurück, geh hin
Nach Alis Schloß, und suche dort Zuleima,
Und sage ihr -«
Da kam der Todesengel,
Und schnitt, mit scharfem Schwerte, rasch entzwei
Abdullahs Leben und Abdullahs Rede.

Pause.

Ich habe ihn ins Grab gelegt, doch nicht,
Nach Moslembrauch, das Antlitz gegen Mekka;
Gegen Granada hab ich, wie er's einst
Befahl, sein totes Angesicht gerichtet.
So liegt er mit den stieren, offnen Augen,
Und sieht mir immer nach. Sich allmählich umdrehend. Du toter Vater,
Du sahst mich wandern durch den Sand der Wüste,
Und sahst mich schiffen nach der Küste Spaniens,
Und sahst mich eilen nach dem Schlosse Alis,
Und siehst mich hier - hier steh ich vor Zuleima,
Sag nun, Abdullahs Geist, was soll ich sprechen?

Eine, in einem schwarzen Mantel verhüllte Gestalt tritt auf.

Die Gestalt:

O sprich zu ihr: Zuleima steig herunter
Aus deines Marmorschlosses güldnen Kammern,
Und schwing dich auf Almansors edles Roß.
Im Lande, wo des Palmbaums Schatten kühlen,
Wo süßer Weihrauch quillt aus heil'gem Boden,
Und Hirten singend ihre Lämmer weiden;
Dort steht ein Zelt von blendend weißer Leinwand,
Und die Gazelle mit den klugen Augen,
Und die Kamele mit den langen Hälsen,
Und schwarze Mädchen mit den Blumenkränzen,
Stehn an des Zeltes buntgeschmücktem Eingang,
Und harren ihrer Herrin - O Zuleima,
Dorthin, dorthin entfliehe mit Almansor.




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© Wolfgang Fricke