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Heinrich Heine
Erklärung bezüglich eines Artikels der Augsburger Allgemeinen Zeitung

Veröffentlicht in Augsburger »Allgemeine Zeitung« am 23. Mai 1848
(Siehe dazu auch Retrospektive Aufklärung in Lutetia)




Erklärung

Die »Revue rétrospective« erfreut seit einiger Zeit die republikanische Welt mit der Publikation von Papieren aus den Archiven der vorigen Regierung, und unter andern veröffentlichte sie auch die Rechnungen des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten während der Geschäftsführung Guizots. Der Umstand, daß der Name des Unterzeichneten hier mit namhaften Summen angeführt war, lieferte einen weiten Spielraum für Verdächtigungen der gehässigsten Art, und perfide Zusammenstellungen, wozu keinerlei Berechtigung durch die »Revue rétrospective« vorlag, dienten einem Korrespondenten der »Allgem. Ztg.« zur Folie einer Anklage, die unumwunden dahin lautet als habe das Ministerium Guizot für bestimmte Summen meine Feder erkauft um seine Regierungsakte zu verteidigen. Die Redaktion der »Allgem. Ztg.« begleitet jene Korrespondenz mit einer Note, worin sie vielmehr die Meinung ausspricht, daß ich nicht für das was ich schrieb jene Unterstützung empfangen haben möge, „sondern für das was ich nicht schrieb“. Die Redaktion der »Allgem. Ztg.«, die seit zwanzig Jahren nicht sowohl durch das was sie von mir druckte, als vielmehr durch das was sie nicht druckte hinlänglich Gelegenheit hatte zu merken, daß ich nicht der servile Schriftsteller bin, der sich sein Stillschweigen bezahlen läßt – besagte Redaktion hätte mich wohl mit jener levis nota verschonen können. Nicht dem Korrespondenzartikel, sondern der Redaktionsnote widme ich diese Zeilen, worin ich mich so bestimmt als möglich über mein Verhältnis zum Guizotschen Ministerium erklären will. Höhere Interessen bestimmen mich dazu, nicht die kleinen Interessen der persönlichen Sicherheit, nicht einmal die der Ehre. Meine Ehre ist nicht in der Hand des ersten besten Zeitungskorrespondenten; nicht das erste beste Tagesblatt ist ihr Tribunal; nur von den Assisen der Literaturgeschichte kann ich gerichtet werden. Dann auch will ich nicht zugeben, daß Großmut als Furcht interpretiert und verunglimpft werde. Nein, die Unterstützung welche ich von dem Ministerium Guizot empfing, war kein Tribut; sie war eben nur eine Unterstützung, sie war – ich nenne die Sache bei ihrem Namen – das große Almosen welches das französische Volk an so viele Tausende von Fremden spendete, die sich durch ihren Eifer für die Sache der Revolution in ihrer Heimat mehr oder weniger glorreich kompromittiert hatten und an dem gastlichen Herde Frankreichs eine Freistätte suchten. Ich nahm solche Hülfsgelder in Anspruch kurz nach jener Zeit als die bedauerlichen Bundestagsdekrete erschienen, die mich, als den Chorführer eines sogenannten Jungen Deutschlands, auch finanziell zu verderben suchten, indem sie nicht bloß meine vorhandenen Schriften, sondern auch alles was späterhin aus meiner Feder fließen würde, im voraus mit Interdikt belegten, und mich solchermaßen meines Vermögens und meiner Erwerbsmittel beraubten, ohne Urteil und Recht. Daß mir die Auszahlung der verlangten Hülfsgelder auf die Kasse des Ministeriums der äußern Angelegenheiten und zwar auf die Pensionsfonds angewiesen wurde, die keiner öffentlichen Kontrolle ausgesetzt, hatte zunächst seinen Grund in dem Umstand, daß die andern Kassen dermalen zu sehr belastet gewesen. Vielleicht auch wollte die französische Regierung nicht ostensibel einen Mann unterstützen, der den deutschen Gesandtschaften immer ein Dorn im Auge war, und dessen Ausweisung bei mancher Gelegenheit reklamiert worden. Wie dringend meine königl. preußischen Freunde mit solchen Reklamationen die französische Regierung behelligten, ist männiglich bekannt. Hr. Guizot verweigerte jedoch hartnäckig meine Ausweisung und zahlte mir jeden Monat meine Pension, regelmäßig, ohne Unterbrechung. Nie begehrte er dafür von mir den geringsten Dienst. Als ich ihm, bald nachdem er das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übernommen, meine Aufwartung machte, und ihm dafür dankte daß er mir trotz meiner radikalen Farbe die Fortsetzung meiner Pension notifizieren ließ, antwortete er mit melancholischer Güte: „Ich bin nicht der Mann, der einem deutschen Dichter, welcher im Exile lebt, ein Stück Brot verweigern könnte.“ Diese Worte sagte mir Hr. Guizot im November 1840, und es war das erste- und zugleich das letztemal in meinem Leben, daß ich die Ehre hatte, ihn zu sprechen. Ich habe der Redaktion der »Revue rétrospective« die Beweise geliefert, welche die Wahrheit der obigen Erläuterungen beurkunden, und aus den authentischen Quellen die ihr zugänglich sind mag sie jetzt, wie es französischer Loyauté ziemt, sich über die Bedeutung und den Ursprung der in Rede stehenden Pension aussprechen.

Paris, den 15. Mai 1848.

Heinrich Heine.


© Wolfgang Fricke