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Anfänge und Testament
Erinnerung an die Kindheit und letzte Wünsche

Geboren am 13.12.1797 in Düsseldorf

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Düsseldorf ist eine Stadt am Rhein, es leben da 12.000 Menschen, und viele hunderttausend Menschen liegen noch außerdem da begraben. Und darunter sind manche, von denen meine Mutter sagte, es wäre besser, sie lebten noch, z. B. mein Großvater und mein Oheim, der alte und der junge Herr v. Geldern, die beide so berühmte Doctoren waren, und so viele Menschen vom Tode kurirt, und doch selber sterben mußten.

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Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren,  und es ist mir, als müßte ich gleich nach Hause gehn. Und wenn ich sage, nach Hause gehn, so meine ich die Bolkerstraße und das Haus, worin ich geboren bin. Dieses Haus wird einst sehr merkwürdig seyn, und der alten Frau, die es besitzt, habe ich sagen lassen, daß sie bey Leibe das Haus nicht verkaufen solle. Für das ganze Haus bekäme sie jetzt doch kaum soviel, wie schon allein das Trinkgeld betragen wird, das einst die grünverschleyerten, vornehmen Engländerinnen dem Dienstmädchen geben, wenn es ihnen die Stube zeigt, worin ich das Licht der Welt erblickt, und den Hühnerwinkel, worin mich Vater gewöhnlich einsperrte, wenn ich Trauben genascht, und auch die braune Thüre, worauf Mutter mich die Buchstaben mit Kreide schreiben lehrte - ach Gott! Madame, wenn  ich ein berühmter Schriftsteller werde, so hat das meiner armen Mutter genug Mühe gekostet.

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Aus Reisebilder 2. Teil (Ideen. Das Buch Le Grand. Capitel VI.) von 1826

Gestorben am 17.2.1856 in Paris

Ergänzung: Eine kurze Schilderung von Heines letzten Tagen

Aus Heines Testament

(geschrieben am 13. November 1851)
Übersetzt von Adolf Strodtmann: Heinrich Heines Leben und Werke, 2. Auflage, Berlin 1874.
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§ 6. Wenn ich mich zur Zeit meines Ablebens in Paris befinde und nicht zu weit von Montmartre entfernt wohne, so wünsche ich auf dem Kirchhofe dieses Namens beerdigt zu werden, da ich eine Vorliebe für dieses Quartier hege, wo ich lange Jahre hindurch gewohnt habe.

§ 7. Ich verlange, daß mein Leichenbegängnis so einfach wie möglich sei und daß die Kosten meiner Beerdigung nicht den gewöhnlichen Betrag derjenigen des geringsten Bürgers übersteigen. Obschon ich durch den Taufakt der lutherischen Konfession angehöre, wünsche ich nicht, daß die Geistlichkeit dieser Kirche zu meinem Begräbnisse eingeladen werde; ebenso verzichte ich auf die Amtshandlung jeder andern Priesterschaft, um mein Leichenbegängnis zu feiern. Dieser Wunsch entspringt aus keiner freigeistigen Anwandlung. Seit vier Jahren habe ich allem philosophischen Stolze entsagt und bin zu religiösen Ideen und Gefühlen zurückgekehrt; ich sterbe im Glauben an einen einzigen Gott, den ewigen Schöpfer der Welt, dessen Erbarmen ich anflehe für meine unsterbliche Seele. Ich bedaure, in meinen Schriften zuweilen von heiligen Dingen ohne die ihnen schuldige Ehrfurcht gesprochen zu haben, aber ich wurde mehr durch den Geist meines Zeitalters als durch meine eigenen Neigungen fortgerissen. Wenn ich unwissentlich die guten Sitten und die Moral beleidigt habe, welche das wahre Wesen aller monotheistischen Glaubenslehren ist, so bitte ich Gott und die Menschen um Verzeihung. Ich verbiete, daß irgendeine Rede, deutsch oder französisch, an meinem Grabe gehalten werde. Gleichzeitig spreche ich den Wunsch aus, daß meine Landsleute, wie glücklich sich auch die Geschicke unsrer Heimat gestalten mögen, es vermeiden, meine Asche nach Deutschland überzuführen; ich habe es nie geliebt, meine Person zu politischen Possenspielen herzugeben. Es war die große Aufgabe meines Lebens, an dem herzlichen Einverständnisse zwischen Deutschland und Frankreich zu arbeiten und die Ränke der Feinde der Demokratie zu vereiteln, welche die internationalen Vorurteile und Animositäten zu ihrem Nutzen ausbeuten. Ich glaube mich sowohl um meine Landsleute wie um die Franzosen wohlverdient gemacht zu haben, und die Ansprüche, welche ich auf ihren Dank besitze, sind ohne Zweifel das wertvollste Vermächtnis, das ich meiner Universalerbin zuwenden kann.

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Anzeige in »La Presse« am 19. Februar 1856:

— Henri Heine, l'illustre poète allemand, a succombé, le 17 de ce mois, à la longue et doloreuse maladie dont il était atteint depuis près de huit ans.

Les obsèques auront lieu demain mercredi, à 10 heures. On se réunira à la maison mortuaire, avenue Matignon, n° 3. Les amis et les nombreuses connaissances de l'illustre défunt qui n'auraient pas reçu de lettre de faire part sont priés de regarder comme telle la présente insertion. —
 

Heinrich Heine, der berühmte deutsche Dichter, ist am 17. dieses Monats der langen und schmerzhaften Krankheit erlegen, an der er seit fast acht Jahren litt.

Die Beisetzung wird morgen, Mittwoch, um 10 Uhr stattfinden. Man wird sich im Trauerhaus in der Avenue Matignon 3 treffen. Die Freunde und zahlreichen Bekannten des berühmten Verstorbenen, die keine Familienanzeige erhalten haben sollten, werden gebeten, die vorliegende Annonce als solche zu betrachten.

Anzeigetext und Übersetzung aus »Heinrich Heine - Sämtliche Schriften«, Carl Hanser Verlag

Das Gedicht auf Heines Grab:


Wo?

Wo wird einst des Wandermüden
Letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand?

Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.


© Wolfgang Fricke